Ein waschechter Skandal spielt sich vor unseren Augen ab und keiner merkt’s?! Bisher interessierte mich Wohnungsbau zugegebenermaßen nur wenig. Und wahrscheinlich bin ich nicht die Einzige, die das Bauvorhaben Halde Nord nur am Rande mitverfolgt haben, weil ihnen schlichtweg das Fachwissen fehlt, sich darüber ein Urteil zu bilden. Texte über Stellplatzschlüssel, Erschließungsträgerverträge und Ausgleichsflächen sind nicht jedermanns Ding. (Siehe dazu den Artikel im Kreisboten vom 22.1.2020, S. 3) Was mich aber hellhörig machte, war ein dahingeworfener Kommentar bei der Sitzung des Klimaschutzbeirats am vergangenen Mittwoch, 29.1. Thema war eigentlich die Überarbeitung des Masterplans auf die Klimaziele von Paris, eher beiläufig kam die Sprache auf das Projekt Halde Nord. Hoppla: Alle waren sich einig, dass das Projekt leider gescheitert sei, aber jetzt sei es leider zu spät. Wie bitte? Was ist denn da los?

Meine Recherchen ergaben ganz grob: der Klimaschutzbeirat hatte gleich zu Beginn der Planungen einen 10-Punkte-Plan erarbeitet. Angedacht waren hohe verbindliche Energiestandards, Carsharing, EE-Versorgung, sogar ein Passivhaus-Musterviertel. Nur schade: übrig geblieben ist von den ambitionierten Plänen nach mehrmaligen Überplanungen: nichts. Und wo liegt nun der Hund begraben? Der “normale Bauherr” baut im eigenen Interesse sogar zunehmend nach besseren Energiestandards als gesetzlich gefordert, auch wenn es zunächst mehr kostet. Großzügige Förderungen für Effizienzhäuser und Tilgungszuschüsse machen das auch finanziell lohnend und erleichtern die Entscheidung. Aber Wohnungsbaugesellschaften (wie BSG, Sozialbau & Co.) haben kein erhöhtes Interesse, teurere Häuser zu bauen, da sie von der langfristigen Energieeinsparung nicht profitieren. Alles klar. Und das in einer Pilotkommune für 100% Klimaschutz bis 2050, deren Einspar-Ziele ja bereits veraltet sind und erst noch an das 1,5-Grad Ziel angepasst werden müssen.

Ich bin fassungslos. Dabei gibt es vorbildliche Quartierskonzepte wie in Heidelberg, welche als Aushängeschilder für umwelt- und klimabewusste Gemeinden dienen und als wegweisend gelobt werden. (Siehe dazu auch Beiträge in Allgemeiner Bauzeitung, Wirtschaftswoche oder swp.de) Was für eine Chance für die Stadt, die richtigen und notwendigen Weichen für energieeffizientes Bauen zu stellen! Das kapiere sogar ich als Laie.

Also lieber Stadtrat, die Einstellung “jetzt ist das Kind schon in den Brunnen gefallen” kann man nicht gelten lassen, solange noch kein Spatentich getan, kein Vertrag unterschrieben wurde. Das ist verantwortungslos angesichts der aktuellen Lage, angesichts von Paris. Ab Februar liegen die Pläne bei der Stadt aus. Ich finde, wir sollten auf die Barrikaden gehen!